Arbeitsintegration: Integration durch den deutschen Arbeitsmarkt
Hoffnung, Schutz, ein Neuanfang: Für viele geflüchtete Menschen ist der Zugang zu einem Neuanfang die Rettung. Der sehnlichst gewünschte Neuanfang kann vor allem durch eine erfolgreiche Integration in den Arbeitsmarkt erlangt werden. Eine passende Arbeitsstelle zu finden, bedeutet nicht nur ein geregeltes Einkommen generieren zu können, sondern auch einen strukturierten Tagesablauf, das Erkunden des neuen Lebensraums, die Sprache zu erlernen und sich nicht nur willkommen, sondern aufgenommen und einbezogen zu fühlen.
Zwischen 2013 und 2016 haben in Deutschland rund 1,5 Millionen Menschen einen Asylantrag gestellt¹ und allein im Januar 2023 hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) über 21.887 Erst- und Folgeasylanträge (Vormonat: 19.912; Vorjahresmonat: 15.418) entgegengenommen.² Damit gingen Herausforderungen der Unterbringung innerhalb der deutschen Arbeitsmarktlage einher. Insbesondere sollte jedoch seit 2016 die Arbeitsmarktintegration für die Asylsuchenden verbessert werden, um eine schnellere Integration in die Gesellschaft zu bewerkstelligen und die Mangelbesetzung auf dem deutschen Arbeitsmarkt verbessern zu können.
Oftmals werden eine im Heimatland abgeschlossene Schullaufbahn, das absolvierte Studium oder langjährige Erfahrungen in einer Berufslaufbahn in Deutschland nicht anerkannt, oder es kann nicht hinreichend nachgewiesen werden. Diese frustrierende Erfahrung mussten viele geflüchtete Menschen über sich ergehen lassen. Für die geflüchteten Menschen bedeutet dies, dass ihre jahrelange harte Arbeit von jetzt auf gleich wertlos geworden ist.
Meist ist die zuletzt ausgeführte Arbeit der geflüchteten Menschen ein Hoffnungsschimmer dafür, dass sie diese Arbeit auch in ihrem neuen Lebensort aufnehmen können, um damit nicht nur schneller in die Gesellschaft zu finden, sondern auch einen Teil ihres früheren Lebens behalten zu dürfen.
Die deutsche Arbeitsmarktlage
Um eine Arbeitsmarktintegration bewerkstelligen und bewerten zu können, muss zunächst die Arbeitsmarktlage näher untersucht werden.
Im Zuge der Winterpause ist die Arbeitslosenquote von Dezember 2022 auf Januar 2023 von 0,3 Prozent auf 5,7 Prozent gestiegen- dabei herrscht eine Unterbeschäftigung von 3.455.00 Personen (Stand: Januar 2023)³. Die Sorge, dass die geflüchteten Menschen die Arbeitsplätze einheimischer Beschäftigter gefährden oder ihr Einkommen unter Druck setzen könnten, kam in der Vergangenheit schon öfter vor. Eine solche Sorge ist jedoch dann unberechtigt, sofern Zeiten von Arbeitskräfteknappheit herrschen und es dadurch zu keinen Verdrängungseffekten bzw. Wettbewerbssituationen kommen kann.4
Die aktuelle Lage auf dem Arbeitsmarkt zeigt, dass eine Arbeitskräfteknappheit herrscht, die durch eine Beschäftigung von geflüchteten Menschen erfolgversprechend aufgewogen werden kann. Eine Arbeitsmarktintegration ist folglich möglich.
Auswirkungen der geflüchteten Menschen auf den deutschen Arbeitsmarkt
Die Auswirkungen der geflüchteten Menschen auf den deutschen Arbeitsmarkt zeigen sowohl positive als auch negative Auswirkungen, auf die im Folgenden eingegangen wird.
Die Entwicklung der deutschen Arbeitsmarktlage wird zunehmend durch die Zuwanderung beeinflusst.5
Gründe dafür sind zum einen die Fluchtmigration und die uneingeschränkte Arbeitnehmerfreizügigkeit (vgl. Osterweiterung der EU).
Die Zuwanderung der Asylsuchenden hat das Arbeitskräfteangebot in Deutschland erhöht und innerhalb eines langjährigen Vergleichs zu mehr Beschäftigten, aber auch zu mehr Arbeitslosen und Leistungsempfängern geführt.6
Im Januar 2021 lag die Zahl der Beschäftigten aus Migrationsländern bei 61.300 und hat im Vorjahresvergleich um 1.9 Prozent zugenommen.7 Die Arbeitslosigkeit der Staatsangehörigen aus den Migrationsländern lag im Januar um 103.000 bzw. 21 Prozent über dem Vorjahreswert, was vor allem auf die Corona-Krise zurückzuführen ist.8
Die Arbeitslosigkeit der geflüchteten Menschen hängt neben der Corona-Krise aber auch davon ab, wie schnell die geflüchteten Menschen eine Arbeitsstelle finden und wie wahrscheinlich es ist, dass sie dort auch langfristig beschäftigt werden können.
Dadurch, dass viele geflüchtete Menschen in den Bereichen der Gastronomie, Sicherheitsdiensten, aber auch in der Pflege (Gesundheitsbereich) beschäftigt sind, waren sie von der Corona-Krise besonders stark betroffen.9
Zudem ist zu beachten, dass die Arbeitsmarktintegration von Flüchtigen nach den Erfahrungen der Vergangenheit mehrere Jahre dauern- angefangen mit ihrer Arbeitslosmeldung, welche ein erster Schritt in einem Integrationsprozess ist, der aufgrund der oftmals fehlenden Sprachkenntnisse und formalen Qualifikationen längere Zeit in Anspruch nimmt.10
Die Auswirkungen der geflüchteten Menschen auf den deutschen Arbeitsmarkt bleiben dennoch überwiegend positiv. Durch die Beschäftigung der geflüchteten Menschen konnte nicht nur das Arbeitskräfteangebot gestärkt werden, sondern auch eine an die Gesellschaft näher angepasste Integration angeboten werden. Die geflüchteten Menschen konnten sich nicht nur schneller anpassen, sondern ermächtigten sich auch der deutschen Sprache schneller und sind deutlich intensiver mit der deutschen Kultur in Berührung gekommen – was auch darauf zurückzuführen ist, dass das in der Vergangenheit sehr lange Asylverfahren (von 1,5- 2 Jahre) deutlich verkürzt wurde und dadurch eine Integration auf dem Arbeitsmarkt früher begonnen werden konnte.11
Auch konnte, durch die Ausbesserung der Arbeitsmarktintegration, die Abneigung bezüglich einer Beschäftigung/ Ausbildung von geflüchteten Menschen für Unternehmen genommen werden, da diese nun die Gewissheit haben, dass die Menschen im Asylverfahren auch während der Beschäftigung/ Ausbildung tatsächlich in Deutschland bleiben dürfen (siehe unten).
Rechtslage: Voraussetzungen für einen Zugang zum Arbeitsmarkt
Die Voraussetzungen für einen Zugang zum Arbeitsmarkt sind zunächst ernüchternd. Solange die geflüchteten Menschen im Asylverfahren sind, haben sie lediglich einen beschränkten Arbeitsmarktzugang, auf welchen unter anderem im Folgenden eingegangen wird.
Geflüchtete Menschen
Grundsätzlich gilt, dass geflüchtete Menschen eine Aufenthaltserlaubnis (auch „Arbeitserlaubnis“ genannt) benötigen, um auf dem deutschen Arbeitsmarkt aktiv werden zu dürfen. Daraus folgt, dass die Arbeit je nach Aufenthaltsstatus aufgenommen werden darf. Jedoch gilt bei allen allgemein, dass die geflüchteten Menschen in den ersten drei Monaten nach ihrem Antrag auf Asyl nicht arbeiten dürfen.12
Sofern jedoch keine Aufenthaltserlaubnis oder ein Asylantrag abgelehnt und kein anderer Schutz vom BAMF erteilt (bspw. Subsidiär Schutz oder Abschiebungsverbot) wurde, darf der Adressat nicht arbeiten.13 Anders steht es, wenn das BAMF über den Asylantrag noch nicht entschieden hat und eine Aufenthaltsgestattung erteilt. Mit der Aufenthaltsgestattung darf der Asylbewerber bis zur Entscheidung des Asylverfahrens, drei Monate nach dem Antrag und nur innerhalb einer bestimmten Region, arbeiten.14Ein leichter Weg um auf dem Arbeitsmarkt arbeiten zu dürfen ist, wenn der Betroffene eine Asylberechtigung oder einen Flüchtlingsschutz erhält, sodass dieser eine dreijährige Aufenthaltserlaubnis erlangt, mit welcher er bundesweit uneingeschränkt als Beschäftigter oder Selbstständiger arbeiten darf.15 Sofern subsidiärer Schutz vorliegt, wird dem Adressaten eine einjährige Aufenthaltserlaubnis zugesprochen, mit welcher dieser gleichermaßen bundesweit arbeiten darf.16 Wichtig anzumerken ist, dass Asylbewerber, drei Monaten nach Antragstellung auf Asyl, zwar eingeschränkt arbeiten dürfen, aber gegenüber deutschen, EU-Ausländer Oder anerkannte Flüchtlingen (sog. „bevorrechtigte Arbeitnehmer) nur nachranzigen Zugriff zum Arbeitsmarkt haben.17 Nach 15 Monaten Aufenthalt in Deutschland entfällt jede Beschränkung und die Asylbewerber dürfen uneingeschränkt einer Beschäftigung nachgehen.18
Für geduldete Flüchtlinge: Die Ausbildungsduldung
Diejenigen Antragsteller, deren Asylantrag abgelehnt wurde, jedoch aus unter anderem humanitären Gründen die Abschiebung nicht durchsetzbar ist, erhalten eine Duldung.
Um Geflüchteten eine bessere Ausbildungs- und Einbeziehungschance zu geben, wurde nach dem Integrationsgesetz (2016-2019) das Gesetz über die Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung (Januar 2020) erlassen. Es ist das erste Gesetz, das die Integration als rechtliche Grundlage beinhaltet. Sie hat das Ziel, geduldeten Personen, die einer Beschäftigung nachgehen oder eine Ausbildung absolvieren, einen langfristigen Aufenthaltsstatus zu ermöglichen.19
Die Gesetze sollen die Eingliederung der Geflüchteten nicht nur in den Arbeitsmarkt, sondern auch in die Gesellschaft fördern.20 Um das Ziel des Gesetzes zu erreichen, verpflichtet es auch die geduldeten Geflüchteten, sich selbst um eine Integration zu bemühen, auf Ausbildungsplätze zu bewerben oder Beschäftigungen nachzugehen.21 Um den geduldeten Flüchtlingen eine Rechtssicherheit zu geben, besagt das Gesetz, dass die geduldeten Menschen ein Bleiberecht für die gesamte Dauer der Berufsausbildung und die anschließende Beschäftigung erhalten.22 Geduldeten Personen ist nach 48 Monaten ein uneingeschränkter Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt gestattet.23 Zuvor muss jedoch eine Arbeitserlaubnis bei der Ausländerbehörde eingeholt werden.
Von besonderer Bedeutung ist die 2+3 Regelung. Sie erlaubt eine dauerhafte Bleibeperspektive, die durch den Arbeitsmarkt geschaffen wird. Die 2+3 Regelung besagt, dass die geduldeten Geflüchteten die Absicherung erhalten, für die Zeit ihrer Ausbildungsdauer und unmittelbar danach für zunächst zwei Jahre in Deutschland bleiben zu dürfen.24
Der Aufenthaltstitel kann nach den zwei Jahren jedoch auch verlängert werden- sogenannte Ausbildungsduldung. Besonders für Unternehmen, die geduldete Geflüchtete in Ausbildung nehmen, ist die 2+3 Regelung erleichternd, da die Ausbildung nicht wegen eines Arbeitsverbot oder einer Abschiebung abgebrochen werden muss. Eine Ausbildungsduldung wird erteilt, wenn bereits seit drei Monaten eine Duldung vorliegt. Problematisch ist, dass innerhalb dieser drei Monate von der Ausländerbehörde versucht wird, Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung einzuleiten, welche wiederum einen Ausschlussgrund für die Ausbildungsduldung darstellen.25
Besonders erfolgversprechend ist eine Ausbildungsduldung somit, wenn bereits während des Asylverfahrens mit der Ausbildung begonnen wurde.26 Die Tragweite einer solchen Regelung darf nicht außer Betracht bleiben. Die geduldeten Geflüchteten erhalten nicht nur Rechtssicherheit, sondern auch einen ersten Erfolg, um ihre Zukunft aufbauen zu können. Sie erhalten die Hoffnung, dass sie durch ihre Arbeit in die Gesellschaft finden, sich beweisen können und durch ihre Bemühungen auch in Deutschland bleiben dürfen.
Fachkräfte mit akademischer Ausbildung: Blaue Karte EU
Die sogenannte „Blaue Karte EU“ ermöglicht Menschen aus Drittstaaten einen einfachen Einstieg in den deutschen Arbeitsmarkt. Rechtlich ist die Blaue Karte EU in § 18 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz verankert. Die Blaue Karte EU entbehrt ein aufwändiges Punkteverfahren und auch auf eine Vorrangprüfung wird verzichtet.27
Voraussetzung für die Blaue Karte EU ist zum einen ein abgeschlossenes Hochschulstudium, welches nachweisbar und mit einem deutschen Hochschulstudium vergleichbar ist und zum anderen eine Gehaltsmindestgrenze von 55.200 Euro enthält.28 Die Blaue Karte EU wirkt sich positiv auf die Arbeitsmarktintegration aus, denn sie ermöglicht einen einfachen Start in den Arbeitsmarkt. Gemäß § 18c Abs. 2 Aufenthaltsgesetz kann man nach 33 Monaten mit der Blauen Karte EU eine unbefristete Niederlassungserlaubnis erhalten und bei guter Deutschkenntnis schon nach 21 Monaten.29 Ein Nachteil der Blauen Karte EU ist jedoch, dass die Voraussetzung einer Gehaltsmindestgrenze von 55.200 Euro für viele geflüchtete Menschen unrealistisch ist. Im Jahr 2021 wurden erstmals insgesamt fast 24.507
Personen die Blaue Karte EU erteilt, von welchen 55,0 Prozent bereits einen anderen deutschen Aufenthaltstitel besaßen und 45,0 Prozent nicht im Besitz eines vorherigen Aufenthaltstitels waren.30
Zum Jahresende 2021 waren rund 70.000 Inhaber:innen einer Blauen Karte in Deutschland als aufhältig gemeldet.31
Dass die Arbeitsmarktintegration ein enormer Baustein zur Eingliederung und Aufnahme der geflüchteten Menschen ist, ist nun mehr als deutlich. Der deutsche Arbeitsmarkt zeugt von noch vielen unbesetzten Arbeitsplätzen, innerhalb derer viele geflüchtete Menschen aushelfen können. Mit der Arbeitsmarktintegration wird beiden Seiten- den geflüchteten Menschen und dem deutschen Arbeitsmarkt- gleichermaßen geholfen, sodass eine „Win-Win-Situation“ entstehen kann. Durch den Arbeitsmarkt erhalten wir als Gesellschaft die Chance, einander ohne Vorurteile zu begegnen und uns kennenzulernen. Wir teilen unser Wissen und unterstützen uns gegenseitig.
Folglich ist die Arbeitsmarktintegration die erste Komponente für ein friedliches und tolerantes Deutschland.
Fußnoten: